Freiflug

Der Wechsel zurück zu MS Word hat – was ich mir irgendwie auch erwartet habe – einen Paradigmenwechsel herbeigeführt. Meine Art, an Geschichten zu arbeiten, wurde wieder direkter und weniger planerisch. So, wie ich jetzt arbeite, habe ich zuletzt bei Im Palast des schönsten Schmetterlings gearbeitet. Direkt, ohne Trödeln und Quasten, ohne Netz und doppelten Boden. Schmetterling schrieb ich fast zur Hälfte in einen Collegeblock, als wir im Februar 2011 auf Kuba waren. Am Strand, auf einer Veranda, an einem Tisch im Hotel Presidente oder abends am Malecon.

Ja, Computer ist Computer, ist Computer und nicht zu vergleichen mit dem Gefühl, einen Roman mit der Hand zu schreiben. Wovon ich mich befreien konnte, ist dieses Planen um des Planens willen. Weil es die App in sich hat, dass man mit ihr plant und konstruiert. Lange Notizen, also Ideen, schreibe ich noch immer gerne in mein schwarzes Leuchtturm Notizbuch. Das hat keinen besonderen Grund; mir gefällt es einfach, mich in einen Raum einzuschließen, in dem ich ein leeres Blatt aufschlage und schreibe.

Das Rohmanuskript zum dritten Teil der Elias-Trilogie entwickelt sich schön, und die Handlung erscheint mir schon jetzt homogener und fließender. Was einfach daher rührt, dass ich, wenn ich es richtig angehe, selbst Passagier auf dieser Reise bin. Der erste Leser der Geschichte. Okay, super weit bin ich noch nicht; gerade mal knapp 70 Seite geschrieben, aber es fließt auf sehr schöne Weise. Und ich habe viel Zeit. Gerade erst habe ich meinem Verleger den zweiten Teil der Trilogie geschickt: Auf dieser Frequenz. Ich folge einem meiner ungeschriebenen Gesetze und lasse jeden Teil in einem andern Teil der Welt spielen. Du warst der Plan spielte auf Gran Canaria, Auf dieser Frequenz trägt sich zum Großteil in Wien und Harku, Estland zu, und der dritte Teil spielt in der zweiten Hälfte in Namibia. Das hat natürlich seine guten Gründe und es macht Spaß, mich selbst und alle Leser, die noch kommen mögen, dorthin zu führen. Aktuell fühlt sich das Schreiben für mich wie ein Freiflug an.

Elias ist in Madrid und trifft dort am Bahnhof Atocha, als er nicht mehr weiterweiß, auf zwei ältere, kolumbianische Herrschaften, die ihm nicht nur Einblick gewähren in ihre eigene tragische Geschichte (es sind die Väter von Jhonier und Ricoardo aus Band 1), sondern bieten Elias ein Ziel seiner Reise …

PS: Gestern habe ich ich das Projekt auf Papyrus gehoben, da ich über Nacht eine seltsame Vision hatte; einen Traum, dass ich Papyrus Autor betrete wie ein schön renoviertes Strandhaus, wo alles an seinem Platz ist und die Aussicht durch die Terrassenfenster umwerfend ist. Beruhigend, augenfreundlich.

Als das Manuskript auf Papyrus eingerichtet war, war es tatsächlich so, als wäre ich nach einer langen Reise nach Hause gekommen, das jemand in meiner Abwesenheit in Schuss gehalten und sanft renoviert hatte …

Looping abgeschlossen

Nachdem ich gerade noch von Softmaler Office schwärmte und bei Amazon nach einem neuen Laptop suchte, kriegte ich einen Rappel und beschloss, von Linux zu Windows zurückzukehren. Das hat weniger ideologische als vielmehr sehr praktische Gründe: Ich habe doch recht teure und nützliche Lizenzen von Produkten, die nur auf Mac oder Windows laufen. Zum Beispiel AcDsee, Papyrus Autor oder Scrivener. Ja, ich weiß, ich wollte nicht mehr mit spezialisierter Autorensoftware schreiben, weil mir missfällt, wie diese Tools durch ihre Funktionen zu einer bestimmten Art zu arbeiten, zu erzählen verführen.

Also habe ich auf dem HP Elitebook und dem Intel NUC wieder Windows 11 aufgesetzt und was soll ich sagen, es kommt knüppeldick: Ich habe mein noch gültiges Abo für Windows 365 Personal reaktiviert und dabei gleich mal das aktuelle Romanprojekt zu Word geschoben. Damit stehe ich in Sachen Apps & Tools ungefähr da, wo ich mit allem angefangen habe: Windows und Word. Damit habe ich meine ersten drei Romane geschrieben. Ich bin – zumindest was WinWord betrifft, in guter Gesellschaft, schreiben doch bspw Stephen King und sein Sohn auch mit WinWord. Schreibe ich nur der Vollständigkeit halber. Wie gesagt, meine Toolwechsel erfolgen nicht aus wirklich praktischen oder ideologischen Überlegungen – obwohl mein Tanz mit Linux durchaus ideologisch gefärbt war, quasi altersmilder Anarchismus … Vielmehr gilt wohl, dass ich ein unsteter Wanderer zwischen den Welten bin und das auch bis zu einem gewissen Grad genieße.

Das Thema mit den Buchcovern

Wenn ich einen Roman schreibe, habe ich zumeist ein ziemlich genaue Vorstellung von den handelnden Personen. Im Vorfeld suche ich Fotos im Internet von Personen, die mir als Inspiration dienen. Ich erfinde eine Geschichte zu den einzelnen Charakteren, meist mehr, als im Roman selbst thematisiert wird.

Da ich in meistens in einem schwulen Verlag veröffentliche, gibt es die Vorgabe, dass das Cover einerseits einen gutaussehenden jungen Mann zeigen soll und andererseits auch einen Hinweis, eine Verbindung zur Handlung darstellen. Das ist nicht immer leicht, aber es gelingt doch von Zeit zu Zeit. Als ich zum Beispiel nach einem Coverfoto für Cyborg me suchte, hatte ich zwei Fotos im petto, die ich gerne verwendet hätte:

Dieses hier:

und dieses hier:

Beim ersten Bild konnte ich den Urheber nicht erreichen. Er reagierte nicht auf E-Mails. Beim zweiten Bild konnte ich einen Kontakt zum Urheber herstellen, und zwar zu Augusto Ribeiro E Silva, aber der wollte rund 5000 € für die Nutzung. Ging nicht.

Bei der Romanreihe der Elias-Trilogie hatte ich den Wiener Influencer und Instagram Star Elias Silitonga im Kopf, wagte es aber nicht, ihn mit der Thematik zu konfrontieren – es ist wohl nicht jedermanns Sache, zu wissen, dass er als Cover und als Inspiration für einen Roman steht, in dem der Protagonist vergewaltigt wird. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, das Foto von Lixandro zu verwenden, das mir freundlicherweise der mexikanische Fotograf und Digital Artist Diego Sanchez zur Verfügung gestellt hatte. Lixandro ist ein wunderbar aussehender und einnehmend sympathischer Bursche, der inzwischen sein Jurastudium abgeschlossen hat und als Anwalt arbeitet.

Für den zweiten Band der Elias-Trilogie habe ich den Freund von Elias Silitonga als Role Model für die Hauptrolle im Kopf und ich habe ihn auch kontaktiert, um ihn zu fragen, ob er bereit wäre, mir das Recht einzuräumen, eines seiner Fotos als Cover zu verwenden. Das ist mittlerweile eine Woche her und ich befürchte: Das wird nix. Nicht, dass das ein Beinbruch wäre. Aber schade ist es schon. Andererseits versuche ich schon auch, Verständnis zu haben. Andererseits fällt es mir schwer: Ich kann mit der Strategie der Nichtanwort einfach nichts anfangen. Könnte ja auch schreiben: Du, ich will da nicht dabei sein, ich will das nicht. Wäre für mich eh okay. Ich meine, Stefan ist ein magnetischer Typ, gutaussehend und er strahlt eine emotionale Tiefe und Untergründigkeit aus, die mich sehr anspricht. Besucht ihn mal hier: https://www.instagram.com/stefan_ok/

Mir persönlich wäre fast am liebsten, wenn ich alle Buchcover so ähnlich gestalten (lassen) könnte, wie die Cover der beiden Die Inseln im Westen Romane:

Die Inseln im Westen – Weltendämmerung

Cover für schwule Bücher – ich sehe, das ist ein ganz eigenes Thema und für jemand wie mich, der mit Marketing und Influencer und den ganzen Kram nichts am Hut hat, oft ein Buch mit sieben Siegeln.

Der August und wie er in den Herbst kippt

So, wir waren also in Piran auf Urlaub und alles könnte so gut und so schön sein, weil alles so schön klappt. Unser Vermieter hat uns einen Gratisparkplatz in Lucia organisiert (Parkplatz vom Tedy Laden) – Lucia ist am südlichen Ende von Portoroz und unser Vermieter war so nett, uns am ersten Tag dort abzuliefern und am letzten Tag zurück zum Auto zu bringen. Ich hatte einige Bedenken, den Wagen auf dem Parkplatz eines Kaufhauses abzustellen, aber es war dann letztendlich eine elegante Lösung.

Was dann nicht so gut war: Richard handelte sich eine Zahnfleischentzündung ein und ein Teil der Kronen brach aus. Bis wir Antibiotika organisieren konnten (Stichwort Auslandsrezept), verging ein halber Tag, und weil der Stoff so stark war, hatte Richard dann bis Urlaubsende einen schäumenden Magen. Was dazu führte, dass ich die Ehre hatte, uns von Piran nach Wien zu führen – und dabei bin ich bestenfalls ein Kopilot. Klappre aber alles friktionsfrei. Am Samstag waren wir gegen 17:00 in Wien und am Montag hatte Richard einen Termin beim Zahnarzt, alles repariert und alles gut. Dafür hat mich dann am Montag der Durchfall eingeholt und ich verbrachte eine Nacht auf Porzellan, so to say. Das dauerte zwei Tage und mit Naturjoghurt und Soletti war das Problem einen Tag später aus der Welt; hab mir wohl irgendwo den Magen ausgehängt.

Inzwischen schreibe und konzipiere ich am dritten Teil der Elias-Trilogie und ich habe mich dazu entschlossen, einen extremen Turn der Handlung am Ende des Buches einzubauen, auf den ich konsequent durch Hinweise (doppelte Böden und untergründige Anspielungen) hin arbeite. Das wird die Inhalte aller drei Bücher letztendlich in ein komplett anderes Licht tauchen und ich freue mich über die Arbeit am Roman.

Um den Austausch von Manuskripten mit meinem Verleger zu vereinfachen, teste ich gerade die Office Suite Onlyoffice, weil die sehr gut mit den Microsoft Dokumentformaten umgehen können.

Die bieten auch einen Online Workspace an, die sehr nice mit den Desktop Apps zusammenspielen. Dabei ist das alles DSGVO-konform, sicher und werkt, soweit ich das bislang sagen kann, sehr zuverlässig. Damit habe ich die Manuskripte aus pCloud herausgeholt und in Onlyoffice DocSpace abgelegt.

Den Arbeitstitel des dritten Teils habe ich inzwischen auch schon drei mal geändert, jetzt läuft die Arbeit unter dem Titel: TOTEM – Eine Geistergeschichte.

Möglich, dass der Arbeitstitel schon zu viel über die Geschichte aussagt 🙂

Und so wandert der August in den Frühherbst. Die Kastanien lassen schon die Blätter fallen und in Wien ist es zumindest den Temperaturen nach noch Hochsommer. Wir werden die letzten warmen Tage nutzen und auf der Donauinsel schwimmen gehen; die Stimmung dort ist im Frühherbst besonders schön.

Piran

Foto von Marino Linic auf Unsplash

Am Wochenende ist es wieder soweit und Richard und ich fahren in unsere Sommerresidenz in Slowenien. Von Wien aus ist Piran in knapp 4,30h zu erreichen und da wir sehr früh fahren, um schon gegen 08:00 dort zu sein, wird es vermutlich noch schneller gehen.

Piran ist eine sehr beruhigte, kleine Stadt mit einem charmanten und endlos altmodischen Stadtkern. Hier spielen noch die Kinder in den Parks und auf den Plätzen, es gibt fangfrischen Fisch und Wein aus der Region. Es gibt keinen Sauf- und Kotztourismus; die fahren alle weiter über die Grenze nach Kroatien.

Ich werde den Laptop mitnehmen, um die Leserunde zu Du warst der Plan zu begleiten, die morgen beginnt … Ansonsten werden wir auf der Badeplattform dahinfermentieren, viel schwimmen, viel lesen und abends gut essen. Ein Vorruhestandsleben, sozusagen 🙂

Wutentbrannte Elben

Obwohl ich ja so etwas wie ein bekehrter Open-Source-User bin und Wert auf Privacy lege, nur Linux nutze und Libreoffice und OpenXchange und Firefox, habe ich doch Socialmediakonten bei Instagram und Threads. Mein Verlag meinte, ich solle ein bisschen zugänglicher sein. Zu Twitter X wollte ich auf keinen Fall und Facebook ist eine Tratschtantenbude. Bluesky ist irgendwie zu hermetisch und Mastodon zerfasert in zu viele winzige Inselgruppen; kurz: es ist ein Jammer.

Letztendlich habe ich mich für die Kombination aus Instagram und Threads entschieden. Mir gefällt ganz grundsätzlich die Kombination aus Bildarchiv in IG und die Möglichkeit, etwas anzukündigen, auf Threads. Womit ich nicht gerechnet hatte, ist, dass all die User, die vor der toxischen Stimmung auf X nach Threads geflüchtet sind, dort nun genau das etablieren, was sie an X so hassten: Eine merkwürdige schroffe Meinungsdiktatur, verkleidet als ständig nach Zustimmung heischender Schulterschluss unter jungen Künstlern, die stets darauf aus sind, sich gegenseitig zu pushen, um selbst gepusht zu werden. Es ist ein follow4follow in Reinkultur, ein ununterbrochenes einander zustimmen und nicken, eine geradezu über das Ziel hinausschießende Aufmerksamkeit, unter der sich aber eine vernunftpanische Haltung verbirgt. Wenn Du Widerspruch leistest, gibt es Krieg. Wenn man Diversität als Grundpfeiler der Literatur infrage stellt, hat man nichts zu lachen. Wenn man mit Triggerwarnungen und Sensitivity-Reader nichts am Hut hat, kann man gleich wieder gehen.

Ich habe mir an dieser sauheißen Blase die Finger verbrannt und werde die Diskussion mit den hauptsächlich jungen Selfpublishern nicht mehr suchen. Das ist ein Wespennest, eine Horde wütender Elben.

Zuerst hatte ich überlegt, beide Profile zu löschen, weil die Konfliktbereitschaft mancher Leute dort so weit zu gehen scheint, fremde Accounts zu zerschießen, aber dann, andererseits: Warum? Ich ignoriere die Bande und kümmere mich nur um meinen Scheiß und die sollen sich dort vor lauter Weltbewegtheit auf dem Boden wälzen und die Haare raufen.

Blog wiederbeleben

Ich hauche dem Blog wieder Leben ein, da die NOW Seite einfach zu wenig Raum bietet, um so richtig drauflos zu schwadronieren. Ich habe die Tage begonnen, den dritten Band aus der Le Fantom Reihe zu schreiben. Der erste Teil ist ja gerade Ende Mai erschienen, den zweiten Band lasse ich gerade abliegen, um mich dann im September an die Korrekturen zu machen, und zwischendurch fahren mein Mann Richard und ich auf Urlaub.

Ich will ja nicht sagen, dass das wahnsinnig aufregende News sind, aber ich erzähle sie Euch einfach 🙂

Aus Mastodon ziehe ich mich zurück, da ich dort mehr damit beschäftigt bin, junge Damen aus England, die sich mit „Hi, Honey“ melden, zu blocken, als gute Beiträge zu lesen. Ich habe ein Profil bei Bluesky angelegt und schau dort mal eine Zeit zu, wie das läuft.

Was gibt es sonst Neues? Ach ja, neben den Leuchtturm Notizbüchern, die ich gerne benutze, habe ich mir jetzt auch ein neues Moleskine-Notizbuch zugelegt, dessen Größe mich begeistert – zwischen A5 und Pocket. Also so was wie ein Phablet unter den Notizbüchern.

Obwohl ich mir vorgenommen habe, das Rohmanuskript für den nächsten Roman mit der Hand zu schreiben, arbeite ich nun doch lieber am PC weiter und nutze Libreoffice auf Linux Mint.

Das wars derweil für die Woche. Man liest sich!

Musik, die mich begleitet

Bei der Arbeit an meinem neuen Roman, der den mittleren Teil der geplanten Le Fantom Trilogie bildet, begleitet mich sehr viel klassische Musik. Das liegt daran, dass eine der wichtigsten Nebenfiguren (wichtig nicht im Sinne des Handlungsfortschritts, sondern in seiner Gewichtung als Person) eine Vorliebe für klassische Musik hat – und das ist nur eines der Geheimnisse, die er vor seinen Freunden hütet.

Die winterliche Landschaft des südlichen Estlands

In der Reihenfolge ihrer Erwähnung im Rohmanuskript (bislang) hört Atim, der zu den Bösen gehört, aber kein wirklich böser Mensch ist, sondern nur ein besonders unglücklicher, folgende Musikstücke:

Gloria – Et terra en pax, Antonio Vivaldi, arrangiert von Trevor Jones

Stabat Mater, Giovanni Battista Pergolesi

Requiem Op. 48, Gabriel Faure

Shostakovich Piano Concerto No. 2 in F major, Op. 102 – Andante

Meinen zweiten Helden wird diese Musik emotionell stark an einen seiner Peiniger binden, wenn er auf der Flucht ist und sich durch das winterliche Estland kämpft.

Das Kreuz der Dünen

Tief in der Nacht, ans Kreuz der Dünen geschlagen, steht ein betrunkener Mann und wirft mit beiden Händen Flüche in die Brandung.
Er ist tätowiert und gepierced und die Ringe in den Brustwarzen kämpfen mit dem Mond um die Reste von Licht und Zeit

Ich frage ihn, warum er Flüche und händevoll Sand in die Brandung wirft und er antwortet mit erstickter Stimme: Es ist mein letzter Tag und es ist die Liebe, die ich hierlassen muss. Da kann ich ebensogut auch meine Wut ins Meer schleudern, findest du nicht?

Ich nicke und erinnere mich an all die Liebe, die ich hier schon zurücklassen musste und nimmermehr fand.
Die Trauer im Meer zu begraben, am Tag vor dem Flug, das erscheint mir sinnvoll, und heute bin ich der Mann, geschlagen ans Kreuz der Dünen

Mystifikationen

Eine Weile lang trieb ich mich auf Threads herum, dem neuen Mikrobloggingdienst von Meta. Einfach, weil es sich anbot, und zweitens, weil es für ein paar Tage tatsächlich so aussah, als würden sich dort hauptsächlich Leute treffen, die wirklich über Kunst reden wollten. Über Fotografie, Malerei, digitale Kunst, Schriftstellerei. Das war nichts. Die unter dem #bookthreads gesammelten Einträge stammten in erster Linie von Selfpublishern und Einmannbetrieben, die den Selfpublishern zuarbeiten: Lektorate, Coverdesigner, Buchsatz, Korrektorate.

Der Tenor dort war: Eigentlich sei man Selfpublisher, weil man als Literaturrevolutionär die Alternativen zu den herkömmlichen Verlagen unterstützen wolle und weil man bei den großen Verlagen viel eher eine Chance hat, wenn man als Selfpublisher bemerkenswerte Verkaufszahlen vorweisen kann. Und dafür scheint jedes Werbemittel recht. Die Strategie der hauptsächlich jungen User auf Threads unter dem #bookthreads war scheinbar, zuerst einmal einen Missstand zu beklagen und in die Menge zu fragen, ob das andere auch so sehen. Zum Beispiel die Marginalisierung von Randgruppen durch etablierte Verlagshäuser. Oder Ausgrenzung älterer User durch jüngere. Seht Ihr die Verlagsautoren auch als so arrogant wie ich?, fragen manche.

In einer Diskussion, die sich auf Threads ergab, meinte eine junge Frau, die von sich behauptete, Literatur zu studieren, ich sei auch nur ein Vasalle der etablierten Verlage, die Randgruppen stigmatisieren und marginalisieren. In herkömmlichen Publikumsverlagen zu veröffentlichen, gelänge nur alten, weißen Männern, weil die herkömmlichen Publikumsverlage ausschließlich von alten, weißen Männern kontrolliert würden.

Auf meine Frage, was denn die Alternative wäre, antwortete sie, natürlich Selfpublishing. Meine Widerrede machte sie wütend: Was ist mit all den Menschen, die schreiben wollen und es vielleicht sogar können, die sich aber den Weg als Selfpublisher einfach nicht leisten können? Denn nicht jeder kann sich – neben der eigentlichen Arbeitszeit am Roman – die Kosten für Covergestaltung, Lektorat, Korrektorat und Buchsatz leisten. Abgesehen von den Marketingkosten und der Zeit, die auch dafür draufgeht. Eigentlich, sagte ich in dieser Debatte, sei Selfpublishing eine sehr elitäre Angelegenheit, die alle marginalisiert, die sich diesen Weg nicht leisten können.

Das war die Diskussion, ich denke aber einen Schritt weiter, und zwar ganz unzimperlich: Die Mär von den alten weißen Männern, die die herkömmlichen Verlage steuern und verhindern, dass junge, marginalisierte Autoren „seriös“ veröffentlicht werden, ist eine Mystifikation. Gute Schriftsteller werden nach wie vor in herkömmlichen Verlagen veröffentlicht, und die, die es auch nach zig Einsendungen nicht schaffen, in einem Standard- oder Kleinverlag veröffentlicht zu werden, tröstet sich eben mit der Geschichte von der hermetischen Literaturszene, die PoC, LGBTQ+, Frauen, Ausländer ganz allgemein, an erfolgreichen Publikationen hindert. Klingt auch irgendwie besser als: Die nehmen meine Manuskripte nicht, weil ich keinen blassen Dunst davon habe, eine erzählenswerte Geschichte zu verfassen. Natürlich verteidigen die Selfpublisher ihre Herangehensweise mit Zähnen und Klauen. Selbst solchen Stuss wie den mit den „Bullysexfantasien „Dark School Bully Romance“ von Penelope Douglas. Ich habe mir die Leseproben der Autorin auf Amazon zu Gemüte geführt und kann mich nicht erinnern, jemals zuvor derart hölzerne, unbeholfene und marktschreierische Texte gelesen zu haben.

Und statt sich darüber auszutauschen, wie man denn nun einen guten Roman schreibt, geht es dort um Triggerwarnungen, Sensitivity Reader und Sub-Sub-Subgengres, um dem Leser in spe ganz, ganz genau sagen zu können, was ihn in diesem oder jenem Roman erwarten wird. Und das alles in einem passiv-aggressiven Ton, der an Giftspuckerei grenzt, maßlos überheblich, gleichzeitig aber gespielt kindhaft und verletzlich: Stussfabrikanten im Dauereinsatz. Die Marginalität, die eigene Verletzlichkeit als Rammbock gegen jede Art der Kritik. Sie alle wollen nur über ihren Schmerz reden. Ununterbrochen, 24/7. Und das ist, mit Verlaub, todlangweilig.