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  • Zandvoort

    Weil ich mich gerade daran erinnere: Als ich bei UPC (Liberty Global) arbeitete (Mai 2002 – April 2014), reiste ich oft aus beruflichen Gründen nach Amsterdam. Damals saß das Geld beim Unternehmen locker – wie auch immer – es gab Jahre, da flog ich im Monat 3-4 Mal nach Amsterdam und stieg da, wenn ich zwei Tage blieb, entweder im Radisson Hotel im Businesspark Schiphol ab, im Radisson im Zentrum oder im Hotel Amsterdam American am Leidseplein.

    Am ökonomischsten war für mich das Hotel in der Nähe des Flughafens, weil ich von dort aus zu Fuß zum Büro gehen konnte – was gar nicht so übel war, wenn ich in der Nacht zuvor in einer der schwulen Bars in Amsterdam versumpert war und der kleine Spaziergang belebend wirkte.

    Am besten gefiel es mir im Hotel Amsterdam American. Ein pittoresker, alter und verspielter Bau mit Würde, einer riesigen Bar und ziemlich guten Mojitos.

    Abgesehen davon, mich in den unzähligen Bars in Amsterdam gehen zu lassen, Notizbücher vollzuschreiben oder angeregt mit Leuten zu diskutieren, schätzte ich es, auf Wanderschaft zu gehen, und eine meine schöneren Touren damals war, als ich im Spätsommer (also Anfang September) an einem Freitag gegen 14:00 Dienstschluss machte, mich in den Zug setzte und vom Flughafen Schiphol zuerst nach Haarlem fuhr, dort umstieg und weiter nach Zandvoort. Dort ist nicht nur eine bemerkenswerte Autorennstrecke, für die ich mich leidenschaftlich überhaupt nicht interessiere, und ein ewig langer Strand, an dem zu jeder Jahreszeit (ich war da auch im Winter stundenlang spazieren) Surfer in Neoprenanzügen die Wellen ritten und wohl noch immer reiten. Ich war dort auch schon einmal im Winter, um eine längere Wanderung am Strand zu machen. Strände im Winter haben eine ganz eigene, silbrige Stimmung.

    Zandvoort besuchte ich zum ersten Mal im Winter 2010, es war kalt, windstill und nebelig und das Licht war sehr eigen. An mir liefen immer wieder Halbwüchsige in ihren Wetsuits sandaufwirbelnd vorbei, krähten sich gegenseitig etwas zu und verschwanden in Dunst, der vom Meer her über den Strand zog.
    Dann, im September 2012 nutzte ich den längeren Aufenthalt in Amsterdam und machte diesen schönen Ausflug zum Strand. Es war zu kühl, um schwimmen zu gehen, als setzte ich mich in eine der Surfer-Bars namens Club Nautique, aß, um nicht vom Bier ins Meer geblasen zu werden, Dutch Fries mit gefährlich viel Ketchup und Mayonnaise, sah den Surfern zu, die herumliefen und Wellen suchten, genoss den Wind und den Geruch von Sand und Salz. Ich muss direkt mal in den Keller gehen und in den eingelagerten Notizbüchern nachschauen, ob ich dazu etwas aufgeschrieben hatte.

    Leise spielte es akustischen Rock, der Kellner war ebenso freundlich wie gut aussehend, und ich dachte wieder einmal daran, wie es wäre, wenn ich ganz woanders leben würde als da, woher ich bin.
    Ein Träumer war ich schon immer. Aber auch ein Realist. Sosehr ich diesen Nachmittag bis in den frühen Abend genoss, die Fritten, die vier oder fünf Krüge Bier, ich wusste, dass ich da nicht leben wollte, selbst wenn mir jeden Tag hunderte von Surfern in ihren knallengen Neoprenanzügen vor der Nase herumtanzen würden.

    Ist nur so ein Griff in die Vergangenheit, etwas, an das ich mich gerne erinnere, weil zumindest in diesen vier oder fünf Stunden die Welt ihre Probleme für sich behalten hatte, das Bier schmeckte, das Licht großartig war und die Wellen ewig rollten und alles so leicht war wie ein Song von Burt Bacharach.

  • Cyborg me – Danach

    Cyborg me ist einer meiner kürzesten Romane, dafür ist er allerdings sehr dicht geschrieben und eröffnet mir Möglichkeiten, ihn durch einen oder zwei weitere Romane in mein Inseln im Westen Universum zu verknüpfen. Als ich in Absprache mit dem Verlag nach einem brauchbaren Bild für den Umschlag suchte, fand ich nichts, was mir wirklich zusagte. Zwei Bilder fand ich letztlich, die ich verwendet hätte, wenn da nicht Probleme mit dem Urheberrecht gewesen wären. Der Künstler, der eines der beiden Bilder erstellt hatte, wollte einen unverschämt hohen Betrag für die Nutzung seines Werkes (ich meine, mcih an 7000 Dollar erinnern zu können), den Urheber des zweiten Bildes haben wir leider nicht ausfindig gemacht.

    Jetzt spiele ich seit etwa einem Monat mit KI-generierten Bildern herum und es macht mir Spaß, mit Worten zu malen. Mir ist sehr wohl bewusst, dass keines der so entstandenen Bilder irgendetwas mit Kunst zu tun hat, aber es macht einfach Spaß, herumzuspielen und vereinzelt, ganz selten, etwas zustande zu bringen, das durchaus brauchbar ist – und für den Umschlag verwendbar gewesen wäre. So habe ich zB mit einem Prompt herumgespielt, um ein Bild von Samson Aguilar zu erstellen, dem jungen Cyborg im Roman. Hier ein Bild, das ich so erstellt habe:

    Das trifft meine Vorstellung von Samson schon perfekt. Ich weiß nicht, ob es angemessen und gut gewesen wäre, ein solches Bild als Buchcover zu verwenden. Aber schlecht ist es nicht, oder?

    Das Titelbild des Blogposts habe ich erst später eingefügt. Das gefällt mir auch recht gut und wird Samson gerecht. Ich denke, ich werde noch eine Weile herumspielen und versuchen, die Stadt zu prompten, in die sich Mexico City in der Zukunft verwandelt hat.

  • Jeder ist die ganze Welt

    Wir gingen Hand in Hand
    durch Wüstensturm und Regen,
    wir gingen Hand in Hand ins Land
    aus Blut und Gelächter und
    wir gingen, bis wir an der Küste standen
    und der Hunger nach Leben uns verschlang

    Wir atmeten Brust an Brust und
    wir atmeten Lippe an Lippe, wir waren jeder
    für einen Augenblick die ganze Welt des anderen:
    Nie hatte das Meer einsamer und eifersüchtiger
    an unseren Füßen gezogen als in diesem Moment,
    nie rollte es kraftvoller als jetzt, da es machtlos war

    Wir griffen in den Himmel und küssten uns
    wir griffen hoch in das wütende Grau und
    wir griffen darüber hinaus die Metallkante des Horizonts
    und uns geschah nichts und wenn unsere Hände bluteten
    von der Schärfe der Welt, dann mischten wir unser Blut
    und unser Blut mischte sich mit dem Gelächter des Meeres

    Wir kämpften uns zurück ins Land
    durchwanderten die Sierra Maestra und furchtbare Wälder
    voll wütender Lust und Tod, kämpften uns hoch und höher,
    die Berge hinauf bis unsere Köpfe in den Wolken verschwanden
    bis unsere Leiber aneinander vibrierten und unsere Hüften
    miteinander kämpften um Geben und Nehmen

    Und das alte Tosen war um uns und in uns
    und wir teilten es mit dem Himmel und der Erde
    wir teilten Nässe und Schamlosigkeit und
    das Donnern umfing uns wie eine Hand und schützte uns
    und wir konnten nicht aufhören, Engel zu sein, die
    einander zur Erde warfen und herrschten, um beherrscht zu werden

    Und wir blieben, bis unsere Augen vor Erschöpfung weinten
    und unsere Seelen von der Liebe blind und erschlagen
    und unser Atem zu Silber verwoben weit und weiter zog und
    von uns kündete, von uns sang und für uns kämpfte
    mit dem Schwert der Wahrheit und des Verlustes mit
    all der Liebe, die wir im Fallen verschenken konnten,

    jeder die ganze Welt des anderen
    jeder der ersehnte Atemzug
    jeder der Puls der Sterblichkeit und
    jeder die Brust, die sich senkte und hob
    jeder all die Leidenschaft und Unvergesslichkeit
    jeder nur ein Wimpernschlag Ewigkeit; Jetzt!

  • Stricherelegie

    Schlussendlich bist Du es Leid allein zu sein und wappnest Dich für das Leben, das Du plötzlich in Dich dringen lassen willst. Du atmest mich an, während Du mir sagst, allein sein ist cool, aber cool sein ist nicht alles. Dein Atem riecht nach Minze, gut: Die Stadtgeräusche sind zwischen Dir und
    mir, das Licht der Welt ist ebenda und irgendwo bellt ein aufgeregter Hund.
    Du senkst den Blick und denkst nach, ich schenke Wodka in die Pappbecher – Die Stadtgeräusche sind zu laut für uns, und wir gehen weiter hinaus zur Donau und nicht ins „Flex“, wie wir ursprünglich vorhatten.
    Du willst mit mir über Einsamkeit reden, und ich nehme Dich, ich nehme Dich beim Wort.


    Denn Dein Wort ist mir heiliger als Du denkst Du clevere, kleine Hure. Gestern fühlten wir uns müde, Du & ich und das Gespräch kam nicht in Gang. Ich weiß, Du wolltest etwas Wichtiges sagen, es brannte Dir auf den Nägeln, aber: Zwischen den Worten und unter dem gleichgültigen Mond, auf der Promenade am Donaukanal bist Du in meinen Armen eingeschlafen und ich habe Dich aufrichtig geliebt – wie schön Du warst im Zwielicht der Stadt, wie unschuldig für den Moment.
    Heute sind wir in der Dämmerung raus aus der hitzeschwangeren Innenstadt und durch den zweiten Bezirk über die Donau, um allein zu sein, zu rauchen, zu reden und vielleicht eine Chance aus dem Diamantenstaub des nächtlichen Himmels zu schütteln.
    Ich werde Dich heute Nacht nicht mit Geschwurbel langweilen und auch nicht mit Vorschlägen, wo wir junge Türken finden können, die sich billig geben, von Stricher zu Stricher, und uns niederficken. Heute geht es um uns, und Du sagst noch mal: Allein sein ist echt cool. Aber irgendwie zu wenig.
    Ich gebe Dir recht und schau in deine Augen: Hab ich Dir je gesagt, dass Deine Blicke Gänsehaut verursachen und mich völlig verstrahlt neben Dir zittern lassen? Du hast diesen glänzend feuchten Blick, der Schwänze hochwichst und Brustwarzen versteift.


    Schön, mein Freund, heute ist die Stadt auf unserer Seite, sie umfasst uns zärtlich und blinkt Katzengold aufs schwarze Wasser der Donau. Der frühe Herbst macht die Nächte kühler, Laub treibt auf dem Strom, wir werfen die Becher in Kübel und gehen auf der Promenade am Wasser entlang.
    Du hakst Dich bei mir ein und lächelst, dass mir die Luft wegbleibt – Du hast jede Menge Magie in Dir. Obwohl wir beide kleine Stricher sind und Junkies, ist noch Zauber in uns, und auch die Bereitschaft, Magie zu erkennen; so clever bist Du also gar nicht.
    Du willst den magischen Moment mit hingerotzer Spucke überspielen, aber ich kenne Deine Tricks: Zu viel Bahnhof und komische Kunden in unserem Leben, na los, lächle bitte noch mal so wie eben.
    Komm, sag ich, sei mein Freund. Nicht nur mein Partner auf dem Strich. Nicht nur eine Zunge, die meine Lippen für den Freier aufblühen lässt. Lass uns abhauen aus der Szene und den Routinen balkanischer Stricher die wir sind.
    Konnten wir als billige Jungs je die Stadt sehen, wie sie sich uns heute zeigt? Konnten wir je so nebeneinander gehen, ohne dauernd die Jeans über unsere knackigen Ärsche für potenzielle Kunden hochzuziehen, die T-Shirts über den Bauch nach oben zu schieben?

    Heute gibt es keine Kunden, keine lästigen Jungschwestern, die es gratis wollen. Heute gibt es den launigen Mond, das Wasser und uns.
    Wir bleiben stehen, sehen uns um. Dann setzen wir uns ans Ufer und lassen die Stadt und ihren Sound außer Acht.
    Du legst Deinen Kopf auf meinen Schoß und beginnst Sterne zu zählen, jetzt riecht Dein Atem nach Wodka, aber er ist warm und macht mich süchtig.
    Du sagst: Küss mich, und ich tu es. Blut rauscht in meinen Ohren, Du fasst in meine Haare und hältst mich fest – Dein Kuss ist gut, an fetten Freierslippen trainiert, unsere Zungen sind wie Kinder in einem Märchenwald – ich glaube an Deine Aufrichtigkeit, wie geübt sie auch sein mag.
    Du bist müde, ich weiß, müde von all den Versprechen und weinerlichen Schwüren. Du bist müde von den langen Nächten in Hotelhallen, Bars; und den echt miesen Nächten auf der Gasse oder in wanzenverseuchten Betten von Stundenhotels, ich weiß es, weil ich genauso müde bin wie Du.
    Ich bin nicht einfach nur allein, sagst Du, ich bin einsam. Und will das nicht mehr sein, hörst Du?

    Wir küssen uns noch mal, so schläfrig, so gut.


    Ich ziehe die Knie an und lege mich auf den tageswarmen Beton, Dein Kopf auf meinem Schoß ist gut, echt gut sogar, der Joint pfeift rein wie ein Tornado, der Himmel ist weit wie schwarzer Samt voll Diamentenstaub – an Reichtum denken wir jetzt nicht.
    Ich wuschle Dein Haar, Du leckst meine Hand und wir lachen
    heiser.
    Dann weinst Du kurz und ehrlich, trinkst Wodka aus der Flasche, und das bringt mich auch zum Weinen & so heulen wir beide & trösten uns Stirn an Stirn, Nase an Nase, Träne an Träne.

    Ja, sage ich, lass uns aufhören, cool zu sein. Das ist doch bloß Beschiss hoch vier, wenn Du mich lässt, will ich Dich lieben, bei Dir sein, komm, sei mein Freund.
    Fick mich jetzt unter diesem sturzbetrunkenen Mond, nimm mich und meine Worte, mein Lachen und meine Tränen, spann mich auf und atme mich an: Ich rieche ebenso noch Wodka, und alles und jedes wird gut. Alles und jedes wird gut.
    Jetzt lächelst Du wieder, ich lecke Deine Tränen von den Wangen und ich sehe, dass der Mond in Deinen Augen schallend lacht und sich mit uns freut.


    Denn wie ich schon sagte: Heute ist die Stadt auf unserer Seite, mit all ihrem Sound und Glanz und Leben.

    Und ab jetzt sind wir das auch.

    Jetzt sind wir, aus der Ferne gesehen, zwei Zeichentrickfiguren, die zum großen Mond gehen.

    Hand in Hand. Das ist gut.

    Mit dem Geschmack von Küssen und Tränen im Mund.

    Das ist besser.

    Und Dein flinkes Lächeln schlägt Wurzeln in meinem Herz.

    Das ist vielleicht das Beste.

  • Rechter Kulturkampf

    Angeblich gibt es einen Kulturkampf zwischen dem linken und dem rechten Weltbild. Um Kultur scheint man in rechten Kreisen besonders gerne zu kämpfen, denn das ist ein Kampf im Nebel, den Rechte nie durchdringen müssen. Sie begnügen sich mit Framings und Kriegsgetöse. Sie erweisen sich durchaus geübt darin, den Diskurs zu fordern und eine Diskussion loszutreten, und durchaus als gewiefte Anwender der Rabulistik. Letztendlich aber scheitern die Rechten in jeder Diskussion um Kultur.

    Warum?

    Weil die Rechte der Schaffenskraft linksliberaler Menschen nichts gleichwertiges entgegenzusetzen hat. Die politische und ideologische Rechte war und ist stets nur gut darin, Kultur entweder zu kritisieren, zu bemängeln, geringzuschätzen, oder sie sich mit unermesslicher Unverschämtheit anzueignen. Was den Rechten gefällt, wird zum Bestandteil ihrer Kultur oder dessen, was sie in ihrer rechts-ideologischen Umlaufbahn dulden, um sich den Anschein von Weltgewandtheit zu geben.

    Kultur selbst ist für die Rechten nur dekoratives Beiwerk: Bildende Kunst, Theater, Oper, Literatur: Die Rechte schmückt sich und das, was sie unter Kultur verstehen, mit konservierten Werken. Sie nehmen auch internationale Erfolge (zähneknirschend) in Kauf, beklagen gleichzeitig lautstark den Verfall der Kunst und Kultur. Das taten sie schon vor 100 Jahren, als sie alles Jüdische als entartet diskreditierten, und das tun sie auch noch heute. Rechter Kulturkampf ist zusammengefasst ein einziger, ununterbrochener Raubzug, ein freches Brandschatzen – eine Unverschämtheit gegenüber allen, die Kunst und Kultur um ihrer selbst Willen gestalten, erweitern, schaffen.

    Alles, was es in unserer Welt an Kunstschätzen gibt, an Literatur, Malerei und Komposition; alles, was jemals in diesen Kunstrichtungen von Bedeutung war, kam immer von liberalen, offenen, neugierigen, kreativen Menschen. Wie schwer sich die Rechte tut, mit zeitgenössischem Kunstverständnis umzugehen, kann man an den peinlichen, journalistischen Entgleisungen im Politikblog Exxpress nachlesen: Die Redaktion windet sich vor Schmerzen, weil sie einerseits darüber berichten muss, dass Österreich den #ESC2025 gewonnen hat, benutzen das aber gleichzeitig wieder, um Antisemitismus mit moderner Kunst und der schwulen Szene zu verknüpfen; was sie nicht negieren und vom Tisch wischen können, müssen sie zwanghaft übel beleumunden, verzerren und infrage stellen 

    Wie sich Rechtskonservative argumentativ verbiegen und verrenken, wenn sie einerseits den Patriotismus hochhalten, ja, aber bitte nur den, der ihnen ins Konzept passt, das ist immer wieder äußerst amüsant zu lesen. Das wurmhafte Wortgewusel demaskiert die politische Rechte als das, was sie ist: ein kultureller Schmarotzer ohne Scham und Ehrgefühl, bis obenhin voll mit Standesdünkel und Arroganz.  

  • Open Source als Anwender

    Obwohl ich mich mit IT schon sehr lange befasse, halte ich mich für keinen Spezialisten. Ich habe vor langer Zeit den MCSA gemacht (Microsoft Certified Systems Administrator) und dementsprechend lange die Windows-Schiene bedient. Damals war die ganze Welt Windows oder Mac. Dass es Linux gab, war mir bewusst, aber da blieb mir vor allem das „angebliche“ How to 15 in Erinnerung. Darin stand sinngemäß, man solle während der Installation von Linux jede Menge Bier trinken. Das würde zwar nicht helfen, aber das Scheitern im Rausch erträglicher machen. Damals (so 1999) musste man sich noch selbst einen Kernel kompilieren und Treiber programmieren. Heute ist das Installieren von Linux auf einem handelsüblichen Notebook oder PC fast einfacher als Windows neu zu installieren. Man doktert mit einer Live-Version herum, schaut, obs einem taugt, und wenn alles im grünen Bereich ist, installiert man es. Die vielen Linuxdistributionen haben jetzt alle grafische Paketverwaltungen und das Nachinstallieren oder Entfernen von Software ist so leicht wie nie zuvor.

    Was einen Linuxanfänger oder Umsteigewilligen manchmal abschreckt, ist der Ton in den Hilfeforen der Distributionen oder den Foren auf Reddit. Und diese Foren braucht man als Einsteiger, um sich zurechtzufinden. Viel zu oft bekommt man auf eine Frage zu dieser oder jener Herausforderung die Antwort: Hey, ist ganz einfach, die gibts diese oder jene Befehle in die BASH ein, holst das Log-File, ladest das hier hoch und geht schon. Oder: Wenn Dein Notebook den Fingerabdrucksensor nicht erkennt, da bau Dir doch selbst einen Treiber. Na hahaha.

    Diese Patzigkeit ist einerseits verständlich. Noch immer befassen sich sehr viele Leute mit Linux, die damit etwas IT-Elitäres zu tun meinen. Das sind die, wenn sie eine Wohnung suchen, die nach einem „Bastlertraum“ suchen, um sich so richtig austoben zu können. Und um der Welt zu zeigen, was sie können. Dass Linux letztendlich damit steht und fällt, wie gefällig und leicht zu handhaben ist, leuchtet diesen Leuten nicht wirklich ein, hat sich aber zu den Distributoren herumgesprochen, die wirklich viel tun, um Linux vom grollenden Wolf zum schnurrenden Kätzchen zu machen.

    Gerade jetzt, wo das Misstrauen gegen „fertige“ IT-Lösungen aus den USA rapide ansteigt, und viele Menschen nach Alternativen suchen, die einen PC einfach nur nutzen wollen, und nicht ihn beherrschen, bis in den Programmcode hinein, könnte die Linux-Community offener werden und Einsteiger etwas freundlicher bei der Hand nehmen.

    Jetzt ist viel die Rede von digitaler Souveränität, und die lässt sich wohl am ehesten mit Open-Source-Software erlangen. Das ist nicht nur eine Aufgabe für High-End-Spezialisten, sondern kann seine Breitenwirkung wohl am ehesten entfalten, wenn möglichst viele Standarduser zu folgenden Überlegungen kommen:

    • Wie mache ich mich unabhängig von Unternehmen, die mich als Bürger gängeln wollen?
    • Was muss ich tun, um zwar am digitalen Leben zu partizipieren, aber bitte zu meinen Bedienungen?
    • Wohin ist der Revoluzzer verschwunden, der ich mal mit sechzehn Jahren war?
    • Warum bin ich in meinen Ansprüchen so beliebig geworden?
    • Wohin ist mein Wunsch verschwunden, die Dinge auf meine eigene Art zu erledigen?
    • Wieso lasse ich es zu, dass mich die Großkonzerne in ein konsumgeiles, gesteuertes Kleinkind verwandeln?

    Ich bin vor geraumer Zeit nicht nur auf Linux umgestiegen, sondern habe auch meine Herangehensweisen ernsthaft hinterfragt. Vorausschicken möchte ich, dass ich Open Source nicht gleichsetze mit gratis. Es darf etwas kosten, und ehrlich, die Provider von Privacy-First-Lösungen nehmen einem nicht das Weiße aus den Augen. Mein persönlicher Paradigmenwechsel war der Sprung von „ich will alles haben, was geht“ zu „nur das, was ich wirklich brauche“. Digitaler Minimalismus, könnte man das nennen.

    Um mit den Big-Playern mithalten zu können, müssten die Open-Source-Lösungen noch gefälliger werden, einfach zu benutzen, hübscher. Viele setzen das bereits um. Ich meine, Linux Mint, Ubuntu oder Zorin Linux sind wirklich schöne Betriebssysteme.

    Zuerst einmal scheint es mir wichtig zu unterscheiden zwischen dem, was man für das tägliche Online-Leben braucht und was man so allgemein als „Nice to have“ einzirkelt.

    Ich bin sehr genügsam und mein aktuelles Setup sieht so aus:

    Mehr brauche ich nicht, und bis auf Standardnotes, pcloud und Onlyoffice kommt alles vorinstalliert mit Linux Mint. Auch ein PDF-Betrachter ist mit an Bord. Und was fehlt, bekomme ich mühelos über die Paketverwaltung – mit der Sicherheit, dass eine Community darüber wacht, dass sich da keine Blödheiten einschleichen.

    Mir gibt die Benutzung von Open Source das Gefühl von mehr Autonomie, mehr Kontrolle – und das Wissen im Hinterkopf, dass Open Source nicht einer industriellen Elite gehört, ist auch schön.

    Ich rate allen, die ihren „Peter Pan“ und die „verlorenen“ Jungs noch in sich spüren, es mal mit Linux zu versuchen. Das eigene Mindset hinterfragen, neue Wege suchen, frei nach Robert Frost im Winterwald den weniger begangenen Weg zu wählen, denn dies macht den Unterschied.

  • Notizen: Völkerrecht

    Notizen: Völkerrecht

    […] es gibt nun mal Werte, die dauerhaft und unverbrüchlich sind und damit die Grundlage für eine zivilisierte Gesellschaft bilden: Völkerrechte, Menschenrechte, Grundrechte. Diese Grundwerte sind fundamental und nicht beliebig. Das wissen Juristen und Völkerrechtsexperten, die allesamt hinzugezogen wurden und werden, wenn es um den Beitritt zur EU geht.

    Und ein gemeinsames gesellschaftliches Fundament zu haben, bedeutet keinesfalls, die Eigenschaften und Stärken der einzelnen Mitgliedsländer zu schwächen oder zu negieren. Andererseits frage ich mich, durch welche besonderen Eigenschaften und Stärken sich der Ungar von mir unterscheidet, der Tscheche, der Slowake, der Slowene oder der Deutsche – um nur ein paar zu nennen?

  • Atim

    Eine der komplexesten Figuren, die ich je ersonnen habe, ist Atim Janson. Er spielt eine sehr wichtige Nebenrolle im Roman Auf dieser Frequenz. Der Roman bildet den Mittelteil der Elias-Trilogie. In dieser Geschichte wird Stefan, der beste Freund von Elias, der Hauptfigur der drei Romane, in Estland von Nationalisten entführt, um einen Pakt der baltischen Staaten zu verhindern. Atim ist einer der Entführer. Er ist der Jüngste der drei Entführer und aus der Sicht seiner beiden Freunde der Laufbursche ihrer kleinen nationalen Front.

    Zuerst sieht es so aus, als ob Atim nicht mehr wäre als ein Mitläufer, einer der mitmacht, um überhaupt irgendwo dabei zu sein. Er tut sich hervor mit harten Sprüchen und Spott gegenüber Minderheiten wie People of Color und/oder LBQT+ ohne Abstufung.

    Im Verlauf der Handlung stellt sich heraus, dass Atim eigentlich schwul ist und darunter leidet, dass er keinen Weg findet, seine Sexualität auszuleben. Er kann nicht dauernd nach Tallinn fahren, um dort nach jemand zu suchen, und außerdem ist er zu sehr gefangen in den Blut und Boden Fantasien seiner Kumpel, die ihm eine Art Nestwärme bieten, der er sich nicht entziehen kann.

    Wenn er allein ist, hört er schwere klassische Musik oder symphonische Filmmusik, aber auch Musicals, hat heimlich ein Instagram-Konto, auf dem er anzügliche Fotos von sich postet, ohne sein Gesicht zu zeigen oder gerade soviel, dass er eben nicht erkennbar ist. In ihrem Gefangenen erkennt Atim nicht nur einen Mensch von mehr Größe und Würde, als er selbst je erlangen wird, sondern auch den Mann, nachdem er sich, ohne es zu erkennen, in seinen einsamen Nächten gesehnt hatte.

    Stefan tötet Atim und kann fliehen. Er nimmt dessen Smartphone mit, entsperrt es und beginnt auf seiner Flucht, als er sich in den Momenten, wenn er sich ausruht, zu begreifen, dass er einen Menschen getötet hat, dessen Leben vielleicht verpfuscht war, aber auch unendlich kostbar, weil einzigartig. Und weil Stefan kein Hollywoodheld ist, der über Leichen geht, so wie andere tanzen, leidet er auf seiner Flucht nicht nur an Schwächeanfällen und Fieber, sondern auch am Umstand, jemand getötet zu haben, den er in einem anderen Leben vielleicht sogar gern gehabt hätte …

  • Der Trost des Mittelmaßes

    Die meisten Boulevardzeitungen haben auch Webseiten, auf denen ziemlich genau dasselbe steht wie auf den gedruckten Ausgaben. Der Fokus der Onlineversionen ist dabei auf Geschwindigkeit und Aufregung ausgerichtet. Was Onlinemedien brauchen, ist ein Konsument, dessen Dauererregung am besten mit den Worten „Das darf doch alles gar nicht wahr sein“ umschrieben wird.

    Der Verdacht drängt sich auf, dass die Medien vor allem mit ideologischen Nebelthemen aufregen wollen, die sich bestens dazu eignen, um um des Kaisers Bart zu streiten. Da kann der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Menschen deportieren und Tausende Beamte entlassen, weil sie möglicherweise ideologisch anderer Meinung sind – wenn irgendwo in Österreich oder Deutschland an einem Tag vor einem Amtshaus oder einer Kirche eine Regenbogenfahne weht, ist Feuer am Dach. Diejenigen unter denen, die sich darüber aufregen und sich für klug halten, versuchen, Gesetze zu bemühen. Andere regen sich darüber auf, dass „diesen“ Leuten so viel Aufmerksamkeit gewidmet wird.

    Und meiner Meinung nach ist das des Pudels Kern: Die Leute meinen, man müsse sich ja bald dafür schämen, normal zu sein. Nein. Muss man nicht. Musste man nie. Man darf nur nicht erwarten, dass Medien, die davon leben, Aufmerksamkeit zu binden, über Alltägliches, Belangloses, Normales berichten.

    Was bleibt am Ende des Jahres in Erinnerung? Die Norm? Oder die Außergewöhnlichen? Die bemerkenswerten Modedesigner, Dichter, Maler und Komponisten, Schriftsteller und Denker sind es, deren Licht das der anderen überstrahlt. Der Alltag interessiert die Medien nicht. Und deshalb berichten die Medien auch über Regenbogenfahnen. Über Demonstranten. Klimakleber. Politiker mit verqueren Ansichten.

    Wenn User sich nun in den Kommentarbereichen von Zeitungen online darüber auslassen, dass man „denen“ viel zu viel Aufmerksamkeit schenkt, dann beklagen sie sich eigentlich nur darüber, dass sich niemand für sie interessiert. Der sittlich-moralische Unterbau der Wehklage ist nebensächlich. Sie kränken sich, dass das, worauf sie insgeheim stolz sind, nämlich auf ihre Normalität, so wenig Beachtung findet. Sie berufen sich auf die Norm und schmähen alles jenseits der Norm. Und sie bestätigen ein ums andere Mal, dass die These wohl stimmt: Die Normalität ist der Trost des Mittelmäßigen.

  • Frank Montalvo

    Diese Woche habe ich meine Webpräsenz umgestellt und den WordPress Blog auf Google Sites nachgebaut. Beim Erstellen der Seite mit den Werken habe ich mich ein wenig nostalgisch und auch etwas traurig an Frank Montalvo erinnert. Frank lernten mein Mann Richard und ich 2010 kennen, als wir im Sommer auf Kuba Urlaub machten und auf eigene Faust herumreisten, überall baden gingen, wo es uns taugte, und die fremdartige Freiheit des Lebens genossen, wie es wohl nur auf Kuba geht.

    Frank war hauptberuflich als Security in einem Industriegebiet im Norden von Havanna tätig; in seiner Freizeit trainierte er für den Radsport. Frank erzählte uns, als wir uns bei Mi Cayito kennenlernten, dass er sooft es ginge, für das Radrennen „Vuelta a Cuba“ trainierte, ein Radrennen, das jährlich im Februar stattfindet.

    Sein Fahrrad war wüst zusammengeschraubt, aber stabil. Er sagte, es sei ein echter Kubaner, aus Teilen aus Mexiko, Venezuela, Kuba und China.

    Frank inspirierte mich zur Hauptfigur einer Kurzgeschichte mit dem Titel „Der Radfahrer“. Diese Geschichte erschien in einer Anthologie mit Kurzgeschichten von mir im AAVAA-Verlag, den es inzwischen leider nicht mehr gibt.

    Wir sahen ihn dann noch öfter bis 2015. Danach, erfuhren wir, konnten wir ihn gar nicht mehr sehen, weil er 2016 die Ausreise aus Kuba bewilligt bekam und irgendwie in Florida gelandet war, wo er dann auch lebte. 2017 kehrte er zu seinem Geburtstag nach Kuba zurück, um mit seinen Freunden zu feiern, die er schon lange nicht mehr gesehen hatte. Die Party stieg in Havanna, in der Fabrica de Arte und nach Mitternacht wollten ein paar Mädchen mit Frank noch in einem Club in Matanzas weiterfeiern. Frank, ganz Gentleman und wohl auch ein wenig angeheitert, lud die Mädchen ein, sie mit dem Mietwagen, den er am Flughafen Jose Martí ausgeliehen hatte, nach Matanzas zu bringen, um dort weiterzufeiern. Auf der Fahrt nach Osten über Land kam der Wagen wohl wegen überhöhter Geschwindigkeit von der Straße ab, überschlug sich mehrmals und ging schließlich in Flammen auf. Niemand überlebte den Unfall, fünf junge Leben waren ausgelöscht.

    Von Zeit zu Zeit erinnere ich mich an Franks unverwüstliche Lebensfreude und Freundlichkeit, an seine Fähigkeit, immer nahe zu sein, ohne einem zu nahe zu kommen. An sein Lächeln und seine fast kindliche Freude, als ich ihm erzählte, dass er das Vorbild für eine Romanfigur sei.

    Goodspeed, Frank. Wo immer Du bist.