Die panische Angst vor der Bargeldabschaffung

Warum es keine Bargeldabschaffung gibt

In meinem Bekanntenkreis, unter Freunden und in der Familie kommt hin & wieder das Thema hoch, dass das Bargeld abgeschafft würde. Und ich bekomme jedes Mal Sodbrennen und Stresspustel, weil mich dieser Unsinn aufregt. Vor allem, weil es nicht einmal Indizien dazu gibt, dass jemand, der wirklich etwas zu sagen haben könnte, derartige Überlegungen anstellt. Strategiepapiere werte ich diesbezüglich wie Powerpointfolien von Accenture: Gar nicht.

Also sammle ich hier mal alle Argumente von denen ein, die behaupten, es werde das Bargeld abgeschafft, sehe mir ein paar Argumente von denen an, die das auch in den Raum stellen und aus der Finanz kommen, und stelle dann meine Argumente dagegen.

Das Bargeld wird abgeschafft

  1. weil der Staat die Individualität des Bürgers untergraben möchte
  2. um das Leben der Bürger durch alleinige Verwendung der Giralgelder transparent zu machen.
  3. um Kontrolle über die Giralgelder der Bürger zu bekommen, um im Notfall darauf zugreifen zu können – also Enteignung
  4. weil die Alternativen verführerisch, modisch und einfach sind.
  5. weil die Herstellung, Verteilung und Lagerung Geld kostet.
  6. weil die Eliten es so wollen.

Die Argumente der Leute, die die Abschaffung des Bargeldes befürchten und prophezeien, beruhen auf dem Unwohlsein des kleinen Bürgers gegenüber dem allmächtigen Staat, auf der Befürchtung, in den Bürgerrechten eingeschränkt zu werden, und auf der Angst, das Wohlverdiente nicht kontrollieren zu können, dass aus etwas Greifbaren etwas Unfassliches wird.
Die Argumente derjenigen, denen man ein bisschen Hintergrundwissen zutrauen sollte, zielen auf Eigennutz ab (Wenn der Manager einer Kreditkartenfirma das Ende des Bargeldes anstimmt, dann ist das für mich wie das Klappern mit der Schere beim Friseur). Sagt es ein Tausendsassa wie der Dr. Tassilo Wallentin, dann verorte ich in der Aussage, das Bargeld würde abgeschafft, die Erfüllung eines Leserwillens, er füttert die Leser der Kronenzeitung mit dem, was sie lesen wollen, er dient sich dem Leserwillen an und zementiert die Befürchtungen seiner Leserschaft durch seinen wohlklingenden Döblinger Nationalismus ein.


Der Satz, die Behauptung, dass das Bargeld abgeschafft wird, steht seltsam nebulös im Raum und jedes Mal, wenn ich versucht bin, mich auf diese Luftdebatte einzulassen, drängen sich ein paar Fragen auf, die die Propheten der Bargeldabschaffung in den seltensten Fällen auch nur ansatzweise beantworten können und wollen:

  1. Welches Bargeld wird abgeschafft?
  2. Wo wird das Bargeld abgeschafft?
  3. Wird es weltweit abgeschafft?
  4. Wenn es nur in einem Land abgeschafft wird, wie verhindert man, ohne sich in eine Diktatur zu verwandeln, die Nutzung anderer Bargeldwährungen?
  5. Wenn Bargeld abgeschafft wird, was geschieht mit dem im Umlauf befindlichen Geld? Im In- und Ausland?

Faktische Argumente gegen die Bargeldabschaffung

  1. Das als Euro ausgegebene Bargeld ist im Eurosystemraum das einzige gesetzliche Zahlungsmittel, das schuldbefreiend wirkt. Die Ausgabe des Bargeldes wird in den Büchern der EZB auf der SOLL-Seite verbucht, somit stellt die Inhaberschaft eine Forderung gegenüber der EZB dar.
  2. In § 1 Eurogesetz ist festgehalten, dass auf Euro lautende Banknoten und auf Euro und Cent lautende Münzen in Österreich gesetzliche Zahlungsmittel sind. Weiters findet sich in § 61 Nationalbankgesetz (NBG) die Bestimmung, dass die von der Österreichischen Nationalbank, der EZB und von den anderen nationalen Zentralbanken der Mitgliedsstaaten des Euroraumes ausgegebenen, auf Euro lautende Banknoten gesetzliche Zahlungsmittel sind.
  3. Das als Euro im Eurosystemraum ausgegebene Bargeld als alleinig gesetzliches Zahlungsmittel ist im Vertrag über die Arbeitsweise der EU im Artikel 128 festgeschrieben. An diesem Vertrag über die Arbeitsweise der EU hängen unzählige andere EU-Vertragswerte. Würde man den Vertrag über die Arbeitsweise der EU ändern, in dem man etwa den Absatz 128 streicht, müssten sämtliche auf diesen Vertrag referenzierenden Verträge neu verhandelt werden.
  4. Der Vertrag über die Arbeitsweise der EU ist ein Vertrag im Rang eines völkerrechtlichen Vertrags.
  5. Das als Euro ausgegebene Bargeld im Eurosystemraum als einzig gesetzliches Zahlungsmittel ist überdies in allen Mitgliedsstaaten des Eurosystemraums im jeweiligen Bundesbankengesetz verankert. Meines Wissens braucht es im jeweiligen Parlament eine Zweidrittelmehrheit, um ein Bundesgesetz zu ändern. Und damit wäre nur das Bundesgesetz eines Landes geändert.
  6. Die Abschaffung des Bargeldes wäre somit die Abschaffung der EU.
  7. Die Abschaffung einer bestimmten Stückelung des Bargeldes ist kein Indiz für die Abschaffung des Bargeldes an und für sich. Die Stückelung des Bargeldes obliegt der EZB (zumindest im Eurosystemraum)

Die Gründe, die gegen eine Abschaffung des Bargeldes sprechen

  1. Es geht nicht. Solange Bargeld im Umlauf ist, wird Bargeld benutzt. Kommt kein neues Bargeld nach, wird das im Umlauf befindliche Bargeld im Wert steigen. Das kann keine Regierung wollen, dass ein nicht von ihnen kontrolliertes Zahlungsmittel stetig an Wert gewinnt.
  2. Bargeldabschaffung in einem Land oder in einem isolierten Wirtschaftsraum hat keinen Sinn, solange es weltweit weiterhin Bargeld gibt. Eine Bargeldabschaffung könnte grundsätzlich nur dann funktionieren, wenn man sie über Nacht weltweit durchpeitscht.
  3. Eine schwache oder nicht vorhandene Bargeldwährung führt mehr oder weniger direkt zur Etablierung einer Schattenwährung. Das ließe sich nur unterbinden, indem das Bargeld weltweit abgeschafft wird. Doch …
  4. … Geld ist, was die Funktion von Geld einnimmt. Wenn die Menschen eines Landes weiterhin auf vereinbarte Werte vertrauen wollen (und Bargeld ist ein vereinbarter Wert), dann werden sie Mittel & Wege finden, weiterhin Bargeld zu nutzen
  5. Wenn es Eliten auf der Welt gibt, die in der Lage sind, Regierungen zu beeinflussen, ja, sogar Bargeld abzuschaffen: Warum gibt es auf der Welt kein einziges Land, in dem das Bargeld bisher erfolgreich abgeschafft wurde? Ach pfeif auf erfolgreich: überhaupt abgeschafft wurde?
  6. Mit der Herstellung, Ausgabe, Lagerung und Verwaltung von Bargeld wird ein enormer Umsatz gemacht. Allein die EZB hat durch die Erzeugung, Lagerung und Verteilung von Bargeld Einnahmen von rund 500 Millionen Euro pro Jahr.

Weiterführende Literatur zum Thema