Die Elias Trilogie
Ob es eine Stärke ist oder nicht, kann ich so nicht sagen. Mir fällt jedenfalls auf, dass mir das Schreiben dann am besten gelingt, wenn ich nicht plane. Die Elias-Trilogie war nicht geplant, als ich anfing, den ersten Roman zu schreiben, aber ich ahnte, dass die Geschichte wesentlich größer ist, als ich anfangs dachte, als ich den Schluss von Du warst der Plan schrieb. Das schrieb ich auch meinem Verleger, als ich ihm das Manuskript anbot, und wir einigten uns zunächst auf einen Vertrag für zwei Romane. Nun schreibe ich am dritten Band.
Was zunächst aussah wie eine Fantomas-Trilogie, mit einem wesentlich grimmigeren und bösartigeren Fantomas, entpuppte sich bei der Arbeit am zweiten Buch als wesentlich belastbarer und komplexer als angenommen. Die französischen Romane um Fantomas und auch die Filmkomödien mit Luis de Funés schöpfen einen Teil ihrer Kraft daraus, dass nie ergründet wird, wer Fantomas wirklich ist, woher er kommt und wie er wurde, was er in den Büchern und Filmen war.
Das schien mir in Bezug auf die Entwicklung der Figur Le Fantom in meinen Romanen nicht zielführend. Ich wollte wissen, wer er ist und woher er kommt und was ihn zu dem machte, was er in den Geschichten ist. Und mir genügte nicht mehr der Ansatz, dass er einfach unfassbar böse ist. Auch mein Ansatz, seine Kraft damit zu beschreiben, dass er nicht nach Macht und Reichtum strebt, war mir zu wenig. Jeder von uns lässt sich von Zeit zu Zeit von seinen eigenen Dämonen reiten und Le Fantom lässt sich seit sehr langer Zeit von ihnen antreiben. Was sind seine Dämonen? Wo in seinem Leben hat er sie aufgelesen und warum tötet er Elias nicht einfach bei den vielen Gelegenheiten, die sich ihm bieten?
Darauf wollte ich Antworten finden. Darauf will ich Antworten liefern können. So entstand auch das Konzept für den dritten Band der Trilogie. Einerseits wollte ich die Geschichte von Elias weitererzählen, weil er ein tragfähiger Charakter ist, weil er als Mensch spannend ist und weil ich ihn wirklich mag. Seit dem ersten Buch, seit dem Ende des ersten Buches ist Elias entwurzelt und entfremdet. Er fühlt sich in dem Leben, das er kennt, nicht mehr zu Hause, fühlt sich wie ein Schiff in der Nacht, dass sich langsam aus der Vertäuung löst uns aufs Meer hinaustreibt. Diesem Dahintreiben wollte ich einen Grund geben und ein Ziel. Und ich wollte ergründen, wie ein junger Mann namens Max, ausgestattet mit einem unerschöpflichen Vermögen, vom Lebemann und Herumtreiber zu Le Fantom wurde. Diese beiden Handlungsstränge treibe ich alterierend voran.
Der mittlere Band bietet schon einen tieferen Blick in das Wesen von Le Fantom; dafür habe ich Elias ein wenig zur Seite geschoben. Einerseits, um die Handlung mehr um seinen besten Freund Stefan Talha Kareem zu weben und andererseits, um Le Fantom heller auszuleuchten. Es ist, um bei dieser Analogie zu bleiben, ein Spiel mit Licht und Schatten; vieles bleibt noch im Schatten und der Tod einer durchwegs sympathischen Nebenfigur erfüllt den Zweck, anzudeuten, dass Le Fantom nicht alles so im Griff hat, wie man meinen sollte. Aber auch das ist irreführend und darauf gehe ich im dritten Band ein, wenn ich berichten werde, was Max zu Le Fantom machte, welche Verpflichtung er eingegangen ist, und dass, was man als Fehlschläge bewerten könnte, in Wirklichkeit das Ziel seiner Pläne ist.
Und damit hatte ich auch den Unterbau für alle drei Romane, dass, was sie miteinander verbindet und im dritten Buch Schicht für Schicht freigelegt wird. Die drei Romane können unabhängig voneinander gelesen werden, aber erst fest vertäut erzählen sie die ganze Geschichte von Elias und Max und davon, wie sich gegenseitig bedingten, für das Schicksal des anderen ausschlaggebend sind. Dazu gehören Wechsel in der Erzählperspektive und in den Realitätsebenen, Zeitwechsel und ganz bewusst platzierte Gleichzeitigkeit von Ereignissen, die unterschiedliche Zeitrahmen beanspruchen und sich doch überlappen.
Die Auswahl der Handlungsorte entwickelt sich bei mir mehr aus einem Bauchgefühl heraus und weniger auf Basis akademischer Überlegungen. Dass der erste Band auf Gran Canaria spielt, war für mich schon beim Erarbeiten des Konzepts klar. Ich wollte Gran Canaria wieder besuchen. Nicht nur, weil ich gerne dort Urlaub mache, sondern auch, weil ich die Insel schon in früheren Romanen zum Ort der Handlung machte – siehe Die Inseln im Westen, Fluchtgemälde und Coda- der letzte Tanz. Den Ort der Handlung für Auf dieser Frequenz legte ich erst fest, als ich schon am Roman schrieb und fast dreißig Seiten geschrieben habe. Estland bot sich aus mehreren Gründen an, vor allem aber, weil ich die Landschaft um Harku spannend finde. Ebenso wie die geopolitische Lage des nördlichsten der baltischen Staaten.
Die Idee, den dritten Teil zum Großteil in Namibia spielen zu lassen, hat einerseits mit den vielen Fotos zu tun, die ich von den vertrockneten Bäumen in der namibischen Wüste gesehen habe, andererseits beruht die Idee auch auf einer Dokumentation über die Rovos Rail Zugfahrten von Südafrika nach Namibia. Ein wundervoll mystischer Ort, dem man ein uraltes, gut gehütetes Geheimnis andichten kann.
Der Grund, warum der dritte Band (noch) keinen Arbeitstitel hat, liegt an meiner Unentschlossenheit. Derzeit sammle ich die Notizen und das Rohmanuskript in einem Ordner namens Totem. Das verrät schon einiges, denke ich … Ein paar andere Titel, die der Handlung gerecht werden könnten:
Du bist der Totem
Das Monument von Namibia
Totem
Das Monument Deiner Träume
Der Totem von Deadvlei
So, wie ich mein Schreibtempo kenne, werde ich vermutlich bis März mit dem Rohmanuskript fertig sein und so, wie ich mich kenne, werde ich am Ende ausgebrannt und leicht desorientiert sein, weil ich vor allem im dritten Band aus dem Vollen meines Herzens schöpfe. Aber was soll ich sagen? ich liebe diese Erschöpfung, den Weg dorthin. Die Geschichte von Elias und Max ist es wert, dass ich dabei Blut und Tränen schwitze.
Wie bei vielen meiner Romane haben auch die Helden und Antihelden dieser Trilogie ihre Anker in der Wirklichkeit, auch, wenn diese Anker gar nicht wissen, dass sie Pate stehen für Romanfiguren, die mir so nahe sind. Aber auch diese Art von Geheimnis ist Bestandteil des literarischen Schaffensprozesses.
Und um das klarzustellen: Ich habe mich bei den realen Vorbildern der Romanfiguren in erster Linie an ihrem Aussehen orientiert, an ihrer Ausstrahlung, ihrer Wirkung auf mich. Ich unterstelle keinem von ihnen den Charakter den ich ihnen im Roman gebe. Ich unterstelle ihnen keine sexuelle Orientierung, keine Liderlichkeit im Charakter, keine Bosheit, keine verrückte Abenteuerlust, keine Verfehlungen. Sie sind Inspirationen, Leuchttürme in der Nacht, an denen ich mich orientiere.