
Schlussendlich bist Du es Leid allein zu sein und wappnest Dich für das Leben, das Du plötzlich in Dich dringen lassen willst. Du atmest mich an, während Du mir sagst, allein sein ist cool, aber cool sein ist nicht alles. Dein Atem riecht nach Minze, gut: Die Stadtgeräusche sind zwischen Dir und
mir, das Licht der Welt ist ebenda und irgendwo bellt ein aufgeregter Hund.
Du senkst den Blick und denkst nach, ich schenke Wodka in die Pappbecher – Die Stadtgeräusche sind zu laut für uns, und wir gehen weiter hinaus zur Donau und nicht ins „Flex“, wie wir ursprünglich vorhatten.
Du willst mit mir über Einsamkeit reden, und ich nehme Dich, ich nehme Dich beim Wort.
Denn Dein Wort ist mir heiliger als Du denkst Du clevere, kleine Hure. Gestern fühlten wir uns müde, Du & ich und das Gespräch kam nicht in Gang. Ich weiß, Du wolltest etwas Wichtiges sagen, es brannte Dir auf den Nägeln, aber: Zwischen den Worten und unter dem gleichgültigen Mond, auf der Promenade am Donaukanal bist Du in meinen Armen eingeschlafen und ich habe Dich aufrichtig geliebt – wie schön Du warst im Zwielicht der Stadt, wie unschuldig für den Moment.
Heute sind wir in der Dämmerung raus aus der hitzeschwangeren Innenstadt und durch den zweiten Bezirk über die Donau, um allein zu sein, zu rauchen, zu reden und vielleicht eine Chance aus dem Diamantenstaub des nächtlichen Himmels zu schütteln.
Ich werde Dich heute Nacht nicht mit Geschwurbel langweilen und auch nicht mit Vorschlägen, wo wir junge Türken finden können, die sich billig geben, von Stricher zu Stricher, und uns niederficken. Heute geht es um uns, und Du sagst noch mal: Allein sein ist echt cool. Aber irgendwie zu wenig.
Ich gebe Dir recht und schau in deine Augen: Hab ich Dir je gesagt, dass Deine Blicke Gänsehaut verursachen und mich völlig verstrahlt neben Dir zittern lassen? Du hast diesen glänzend feuchten Blick, der Schwänze hochwichst und Brustwarzen versteift.
Schön, mein Freund, heute ist die Stadt auf unserer Seite, sie umfasst uns zärtlich und blinkt Katzengold aufs schwarze Wasser der Donau. Der frühe Herbst macht die Nächte kühler, Laub treibt auf dem Strom, wir werfen die Becher in Kübel und gehen auf der Promenade am Wasser entlang.
Du hakst Dich bei mir ein und lächelst, dass mir die Luft wegbleibt – Du hast jede Menge Magie in Dir. Obwohl wir beide kleine Stricher sind und Junkies, ist noch Zauber in uns, und auch die Bereitschaft, Magie zu erkennen; so clever bist Du also gar nicht.
Du willst den magischen Moment mit hingerotzer Spucke überspielen, aber ich kenne Deine Tricks: Zu viel Bahnhof und komische Kunden in unserem Leben, na los, lächle bitte noch mal so wie eben.
Komm, sag ich, sei mein Freund. Nicht nur mein Partner auf dem Strich. Nicht nur eine Zunge, die meine Lippen für den Freier aufblühen lässt. Lass uns abhauen aus der Szene und den Routinen balkanischer Stricher die wir sind.
Konnten wir als billige Jungs je die Stadt sehen, wie sie sich uns heute zeigt? Konnten wir je so nebeneinander gehen, ohne dauernd die Jeans über unsere knackigen Ärsche für potenzielle Kunden hochzuziehen, die T-Shirts über den Bauch nach oben zu schieben?
Heute gibt es keine Kunden, keine lästigen Jungschwestern, die es gratis wollen. Heute gibt es den launigen Mond, das Wasser und uns.
Wir bleiben stehen, sehen uns um. Dann setzen wir uns ans Ufer und lassen die Stadt und ihren Sound außer Acht.
Du legst Deinen Kopf auf meinen Schoß und beginnst Sterne zu zählen, jetzt riecht Dein Atem nach Wodka, aber er ist warm und macht mich süchtig.
Du sagst: Küss mich, und ich tu es. Blut rauscht in meinen Ohren, Du fasst in meine Haare und hältst mich fest – Dein Kuss ist gut, an fetten Freierslippen trainiert, unsere Zungen sind wie Kinder in einem Märchenwald – ich glaube an Deine Aufrichtigkeit, wie geübt sie auch sein mag.
Du bist müde, ich weiß, müde von all den Versprechen und weinerlichen Schwüren. Du bist müde von den langen Nächten in Hotelhallen, Bars; und den echt miesen Nächten auf der Gasse oder in wanzenverseuchten Betten von Stundenhotels, ich weiß es, weil ich genauso müde bin wie Du.
Ich bin nicht einfach nur allein, sagst Du, ich bin einsam. Und will das nicht mehr sein, hörst Du?
Wir küssen uns noch mal, so schläfrig, so gut.
Ich ziehe die Knie an und lege mich auf den tageswarmen Beton, Dein Kopf auf meinem Schoß ist gut, echt gut sogar, der Joint pfeift rein wie ein Tornado, der Himmel ist weit wie schwarzer Samt voll Diamentenstaub – an Reichtum denken wir jetzt nicht.
Ich wuschle Dein Haar, Du leckst meine Hand und wir lachen
heiser.
Dann weinst Du kurz und ehrlich, trinkst Wodka aus der Flasche, und das bringt mich auch zum Weinen & so heulen wir beide & trösten uns Stirn an Stirn, Nase an Nase, Träne an Träne.
Ja, sage ich, lass uns aufhören, cool zu sein. Das ist doch bloß Beschiss hoch vier, wenn Du mich lässt, will ich Dich lieben, bei Dir sein, komm, sei mein Freund.
Fick mich jetzt unter diesem sturzbetrunkenen Mond, nimm mich und meine Worte, mein Lachen und meine Tränen, spann mich auf und atme mich an: Ich rieche ebenso noch Wodka, und alles und jedes wird gut. Alles und jedes wird gut.
Jetzt lächelst Du wieder, ich lecke Deine Tränen von den Wangen und ich sehe, dass der Mond in Deinen Augen schallend lacht und sich mit uns freut.
Denn wie ich schon sagte: Heute ist die Stadt auf unserer Seite, mit all ihrem Sound und Glanz und Leben.
Und ab jetzt sind wir das auch.
Jetzt sind wir, aus der Ferne gesehen, zwei Zeichentrickfiguren, die zum großen Mond gehen.
Hand in Hand. Das ist gut.
Mit dem Geschmack von Küssen und Tränen im Mund.
Das ist besser.
Und Dein flinkes Lächeln schlägt Wurzeln in meinem Herz.
Das ist vielleicht das Beste.