
Die meisten Boulevardzeitungen haben auch Webseiten, auf denen ziemlich genau dasselbe steht wie auf den gedruckten Ausgaben. Der Fokus der Onlineversionen ist dabei auf Geschwindigkeit und Aufregung ausgerichtet. Was Onlinemedien brauchen, ist ein Konsument, dessen Dauererregung am besten mit den Worten „Das darf doch alles gar nicht wahr sein“ umschrieben wird.
Der Verdacht drängt sich auf, dass die Medien vor allem mit ideologischen Nebelthemen aufregen wollen, die sich bestens dazu eignen, um um des Kaisers Bart zu streiten. Da kann der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Menschen deportieren und Tausende Beamte entlassen, weil sie möglicherweise ideologisch anderer Meinung sind – wenn irgendwo in Österreich oder Deutschland an einem Tag vor einem Amtshaus oder einer Kirche eine Regenbogenfahne weht, ist Feuer am Dach. Diejenigen unter denen, die sich darüber aufregen und sich für klug halten, versuchen, Gesetze zu bemühen. Andere regen sich darüber auf, dass „diesen“ Leuten so viel Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Und meiner Meinung nach ist das des Pudels Kern: Die Leute meinen, man müsse sich ja bald dafür schämen, normal zu sein. Nein. Muss man nicht. Musste man nie. Man darf nur nicht erwarten, dass Medien, die davon leben, Aufmerksamkeit zu binden, über Alltägliches, Belangloses, Normales berichten.
Was bleibt am Ende des Jahres in Erinnerung? Die Norm? Oder die Außergewöhnlichen? Die bemerkenswerten Modedesigner, Dichter, Maler und Komponisten, Schriftsteller und Denker sind es, deren Licht das der anderen überstrahlt. Der Alltag interessiert die Medien nicht. Und deshalb berichten die Medien auch über Regenbogenfahnen. Über Demonstranten. Klimakleber. Politiker mit verqueren Ansichten.
Wenn User sich nun in den Kommentarbereichen von Zeitungen online darüber auslassen, dass man „denen“ viel zu viel Aufmerksamkeit schenkt, dann beklagen sie sich eigentlich nur darüber, dass sich niemand für sie interessiert. Der sittlich-moralische Unterbau der Wehklage ist nebensächlich. Sie kränken sich, dass das, worauf sie insgeheim stolz sind, nämlich auf ihre Normalität, so wenig Beachtung findet. Sie berufen sich auf die Norm und schmähen alles jenseits der Norm. Und sie bestätigen ein ums andere Mal, dass die These wohl stimmt: Die Normalität ist der Trost des Mittelmäßigen.