Gerüche, die das Leben begleiten

Weil es mir gerade durch den Kopf geht: ich habe Euch noch nie davon erzählt, wie sehr ich gute Gerüche mag. Tatsächlich habe ich mein sehr laienhaftes Interesse an Parfums mit einundzwanzig Jahren entdeckt, als ich mich aus einem sehr unerfreulichen Abschnitt meines Lebens befreite und neu anfing (nicht, dass dieser Neuanfang von Erfolg gekrönt war. Das dauerte noch sehr lange …)

Das erste Parfum, das ich bewusst als Parfum, als Herrenduft wahrnahm, war Cacharel Pour L´Homme. Der Mann, Franz, der mich seinerzeit 1988 aufnahm, als ich mehr oder weniger obdachlos war, hatte einen Freund, Schiel genannt, der in einer Drogerie arbeitete und immer wieder Testflaschen mitbringen konnte. Cacharel also. Das war, soweit ich mich erinnern kann, ein zitronig-herber Geruch, den ich wirklich mochte. Bis dahin hatte ich mit solchen Düften nichts zu tun, Ich kannte nichts Intensiveres als Axe Duschgel.

Im März 1990 war ich das erste Mal in meinem Leben mit dem Flugzeug unterwegs. Das Ziel war Gran Canaria. Der Besitzer des schwulen Lokals „Alfis Goldener Spiegel“, Alfi himself, hatte mich eingeladen, eine Woche in Las Palmas zu verbringen.

Das war mein erster echter Urlaub als Erwachsener, also als junger Erwachsener. Ich war auf einer Insel im Atlantik und berauscht von den Gerüchen: Der Geruch des Meeres, des Schwemmholzes, Sonnenöl, gebratener Fisch, gekochte Kartoffel, weiter drin im Landesinneren, der Geruch von Nadelhölzern und Eukalyptusbäumen, in der Gegend um Tejeda, der Duft von Mandeln, und dieser bezaubernd, irritierend hübsche Canario namens Sergio (weißes Hemd, bis zum Brustbein offen, braun gebrannt, schwarze Locken, hellbraune Augen – ich war fix und fertig) Und er roch berauschend. Wir trafen uns einige Male am Strand, abends in den von Leben durchfluteten Gassen von Las Palmas, ein paar Mal in der Disco Trebol. Sein Duft wurde für mich zu einem integralen Bestandteil seiner Person, und als wir dann einmal an einem gewittrigen Tag in seiner kleinen Wohnung in Las Palmas intim waren, wirkte sein Parfum auf mich wie Poppers. Es handelte sich dabei um Dior Fahrenheit.

Dieses Parfum liebte ich jahrelang. Gleichzeitig mochte ich Lagerfeld Classik – es riecht, wenn ich mich richtig erinnere, nach Mandeln. Ein anderes Parfum, das ich immer mochte, war Issey Miyake pour homme, das auch sehr zitronig und würzig riecht.

Ein Parfum, das ich zwei oder drei Jahre lange nutzte, so um 2015 – 2019, war Totem Orange von Kenzo. Eine limitierte Serie, die dann mal aufgelassen wurde und nie wieder nachproduziert wurde.

Das hatte eine ganz eigene, erdige Frische und für eine Zeit lang war das für mich der Geruch von Kuba. Der Geruch ist für mich verbunden mit der vor Lebendigkeit zitternden, feuchten Natur des kubanischen Landes, es riecht nach einem Strand im Sommerregen, nach Regen, der auf Palmen fällt. Es riecht nach dem Malecon in Havanna, nach Gesprächen nach Mitternacht unter dem Mond, der über dem Golf von Mexiko steht wie hingemalt.

Ein anderes Parfum, das ich von 2014 bis etwa 2015 nutzte, war Nuit D‘ Issey

Das mochte ich, weil der Duft für mich fast nicht einzuordnen war. Vielmehr vermittelte es mir eine Art Lebensgefühl, das ich mochte. Jemand, der Übung darin hat, Parfums zu beschreiben, könnte das wohl besser auf den Punkt bringen – ich kanns nur so weitergeben:

Dabei ist der Duft recht dezent. Ich denke, er hat ähnlich wie BPH die Fähigkeit, bei einem passenden Träger mit dessen Eigengeruch zu verschmelzen, sodass man gut, aber eben nicht parfümiert riecht

https://www.parfumo.de/Parfums/Issey_Miyake/Nuit_d_Issey

Jetzt, 2022/23, haben Richard und ich unsere Regale im Badezimmer ein wenig bereinigt und wir verwenden n erster Linie drei Parfums, die allesamt eher holzig/fruchtig/erdig wirken: Tom Ford Oud Wood, Tom Ford Tobacco Vanille und Xerjoff Naxos. Obwohl ich Richard das Tobacco Vanille geschenkt habe und das nun in unserer Familientradition seines ist, benutze ich es hin und wieder gerne, weil ich dem Geruch einfach baden kann. Xerjoff Naxos habe ich zum Geburtstag bekommen und das ist jetzt quasi mein Geruch. Das Parfum umfasst so ziemlich alle Düfte, die ich mag und kombiniert sie sehr harmonisch (Tabak, dunkler Honig, Kardamom, Tonkabohne …), aber es hat noch keine Geschichte in meinem Leben, mit dem ich es verknüpfe. Das kommt erst. Es passt für mich gut zur Adriaküste, hat etwas von Abenden an der slowenischen Felsenküste, der Triestiner Bundesstraße, dem Limski Fjord im istrischen Kroatien. Orte, die ich jetzt mit Urlaub, Freizeit und Lebensfreude verbinde.

Wenn ich mich mit der Geschichte meiner Vorlieben für Gerüche befasse, stelle ich schon fest, dass sich mein Geschmack diesbezüglich einerseits aus Begeisterung für einen bestimmten Menschen (Sergio zum Beispiel, Juany Sanchez auch, oder Richard, der immer irgendwie gut riecht) entstand, oder aus Vorliebe für Material und Orte. Ich mag den Geruch von Gras nach einem Sommerregen, den Geruch von Holz, wenn man Holz sägt, ich mag den Geruch von tiefen Wäldern, von vegan gegerbten Leder. Ich mag aber auch den Geruch von Kaffeebohnen, von süßem Holz, und ich mag Minze, den Geruch von Grapefruit, Orangen und Limetten. Ein Mojito ist für mich quasi ein Parfum, das man trinken kann 🙂

Gerüche erinnern mich auch an meine Kindheit. An die Campingplätze, auf denen wir Sommerurlaube verbrachten, an nächtliche Abenteuer. An Wanderungen im Gebirge, Moose auf Felsen, Wildbäche und im Frühherbst überreife Beeren in stacheligen Gebüschen. Gerüche sind wie Anker, die mein vorwärtsstrebendes Jetzt mit meiner eigenen Geschichte verbinden.

Als Nächstes brauche ich wieder etwas Minziges. Ich denke da an Kobe Gardens von The nose behind. Für den Sommer …

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